Bereits 1841 entstand der erste Aachener Bahnhof an der Eisenbahnstrecke Köln - Antwerpen. Er befand sich südlich des Alleenrings zwischen der Innenstadt und der damals noch eigenständigen Stadt Burtscheid. An selber Stelle baute der Architekt Friedrich Mettegang zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein neues Bahnhofsgebäude. Der Aachener Hauptbahnhof in seiner heutigen Form wurde 1905 eröffnet. Die Bogenkonstruktion mit drei Bogenreihen überspannt insgesamt neun Gleise und vier Bahnsteige. In Gleisrichtung bilden insgesamt 18 Bögen in einem Abstand von jeweils ca. 6,5 m die Tragstruktur der Halle.
Tragwerksgeometrie
Als Baumaterial wurde der Baustoff Stahl verwendet, der eine hohe Materialfestigkeit aufweist und in der Lage ist, sowohl Zug- als auch Druckkräfte aufzunehmen. Diese Eigenschaften ermöglichen die Realisierung von filigranen Tragwerksstrukturen in vielen Bereichen des Bauwesens. Um den Biegewiderstand des Querschnitts in beiden Koordinatenrichtungen zu erhöhen wurden bei Stützen und Bögen gleichermaßen I-Profile verwendet. Da gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die Herstellung von gewalzten Stahlprofilen und auch die Verwendung von Schweißverbindungen noch nicht weit entwickelt waren, bestehen die verwendeten Bauteile aus zusammengesetzten, mit Nieten verbundenen Profilen.
Bei jedem Bogen der Bahnsteighalle handelt es sich um ein Linientragwerk, welches aus den Grundelementen Stütze und Bogen besteht. Charakteristisch für das Tragwerk ist der Bogen, welcher aber nicht aus einem durchgehenden Träger besteht, sondern aus zwei Trägern, welche in der Mitte verbunden sind. Diese Verbindung kann als ein Gelenk angenommen werden. Das Haupttragwerk ist somit ein Dreigelenkbogen. Bei einem Dreigelenkbogen ist das System statisch bestimmt und Temperatureinwirkungen oder Setzungen rufen keine inneren Spannungen hervor.
Die Bogenabschnitte gehen nahtlos in die Stützen über, folglich sind sie biegesteif verbunden. Die Stützen sind anschließend gut sichtbar gelenkig auf dem Bahnsteig gelagert. Des Weiteren ist am Übergang zwischen Bogen und Stütze ein Zugband angebracht, um zu verhindern, dass die Stützen infolge von Horizontalkräften aus dem Bogen auseinander gedrückt werden. Außerdem werden sehr große, nach außen wirkende Horizontalkräfte in den Auflagern, die sonst bei einer solchen Konstruktion auftreten, verhindert. Das Zugband ist zusätzlich an dem Bogen mit Hängern befestigt. Auf den Bögen liegen weitere Stahlträger auf, welche das Dach tragen und für die Lastverteilung in Querrichtung sorgen.
Lastabtrag
Vertikale Lasten, hauptsächlich Eigengewicht und Schneelasten, die als Flächenlast auf das Dach wirken, werden durch die Stahlträger gesammelt, zu den Bögen geleitet und durch die Stützen abgetragen. Jeder Bogen hat einen Einflussbereich bis zur Mitte der angrenzenden Felder. Horizontale Kraftanteile aus dem Bogen drücken die Stützen nach außen. Um dies zu verhindern wurde in jedem Bogen ein Zugband angeordnet, das die auftretenden Horizontalkräfte aufnimmt. Da das System auf diese Weise in sich geschlossen ist, müssen die Stützen überwiegend vertikale Kraftkomponenten aus dem Bogen aufnehmen und in die Auflager und den Untergrund ableiten.
Die Stützen sind rein gelenkig gelagert und müssen daher gegen Horizontallasten wie beispielsweise Wind ausgesteift werden. Zu diesem Zweck sind in den jeweils äußeren Feldern, sowie in einem mittleren Feld, zwischen zwei Stützen Fachwerkrahmenkonstruktionen angebracht, welche die erforderliche Stabilität gewährleisten. Die in Längsrichtung verlaufenden Stahlträger leiten dabei die Horizontalkräfte zu den aussteifenden Fachwerken. In Dachfeldern unterstützen diagonale Zugbänder die Aussteifung zusätzlich.
Bearbeitet durch: Fabian Lettmann