Daten und Fakten
Ort:
Im Tal der Urft, 14 km unterhalb von Schleiden
Baujahr: 1900-1905
Architekt: Prof. Dr. Otto Intze
Tragwerksplaner: Prof. Dr. Otto Intze
Nutzung: Energieerzeugung, Wasserstandsregulierung
Material: Mauerwerk
Tragwerksgeometrie: Koerpertragwerk
Nutzungstyp: Technik-/Nutzbau
Raumwirkung: Massiv
Kurzbeschreibung
Südlich von Aachen gibt es in der Eifel mehrere große Seen. Diese Seen sind nicht natürlichem Ursprungs und existieren erst seit dem vorherigen Jahrhundert. Sie entstanden durch den Bau mehrerer Talsperren zur Wasserbewirtschaftung und Energieversorgung. Im Tal der Urft im Zulauf zum Rursee befindet sich die Urfttalsperre.
Diese staut den Urftsee auf, welcher eine Größe von 2,16 km² hat. Die Talsperre wurde von 1900 bis 1905 als Gewichtsstaumauer unter Leitung von Prof. Otto Intze errichtet. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung war die Urfttalsperre die größte Talsperre Europas. Die Mauer ist 58 m hoch und zur Wasserseite gebogen. Die Mauerkrone hat eine Länge von 226 Metern. Die Staumauer hat sich über die Jahre so in die Umgebung integriert, dass sie nicht als Fremdkörper empfunden wird. Im Gegenteil: Sie formt und ist gleichzeitig Teil einer vom Menschen geschaffenen Topografie. Sie wirkt als Landmark und bietet einen charakteristischen Bezugspunkt für ihre Umgebung. Oberhalb des Stausees befindet sich die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang.
Die Sperre ist eine Gewichtsstaumauer. Sie wurde mit Bruchsteinen aus örtlich abgebauter Grauwacke und Tonschiefern gemauert. An der Wasserseite ist die Mauer mit einer Lehmvorschüttung - dem sogenannten „Intze-Keil“ - bis zur halben Staumauerhöhe versehen. Darüber wird die Staumauer durch einen 2,5 cm dicken Zementputz und einen mehrfachen Anstrich aus Naturasphalt abgedichtet. Der Staudamm dient dem Hochwasserschutz, der Niedrigwasseraufhöhung sowie der Energieerzeugung. Der Stauraum des Sees beträgt 45 Millionen m³, wovon 20 Millionen m³ als Hochwasserrückhalteraum dienen.
Die Wasserkraftanlage ist nicht direkt an der Talsperre installiert. Stattdessen verbindet ein ca. 2,7 km langer Zuleitungsstollen den Stausee mit einem Kraftwerk in Heimbach unterhalb der Rurtalsperre. Zwei Francisturbinen nutzen dort einen Durchfluss von 18 m³/s sowie eine Fallhöhe von 106 m für die Elektrizitätsproduktion. Die installierte Leistung beträgt 15 MW und die Jahresenergieerzeugung 26 GWh. Wenn der Stauraum des Speicherbeckens erschöpft ist, wird das überschüssige Wasser über ein Überfallwehr an der nord-östlichen Seite der Staumauer abgeleitet. Eine anschließende Kaskade mit 33 Stufen wandelt die Fallenergie des Wassers um, so dass es ohne Beschädigung der Anlagen in das Unterbecken abfließen kann.
Gegen Ende des zweiten Weltkrieges fanden umfangreiche Kampfhandlungen im Bereich des Urftsees statt. Die Alliierten versuchten vergebens, die Staumauer aus der Luft zu zerstören. Am Ende haben deutsche Truppen die Verschlüsse der Überleitung zum Kraftwerk Heimbach gesprengt und die Grundablässe der Staumauer geöffnet, woraufhin die Talsperre vollkommen leer lief. Zwischen 1945 und 1950 wurden die Kriegsschäden beseitigt. In den Jahren 1994 bis 2000 wurde die Staumauer umfassend saniert und dem aktuellen Stand der Technik angepasst. Unter anderem wurde ein Kontrollgangsystem im Mauerinnern zur Überprüfung der Mauer und des Untergrundes eingebaut. Der Zweck und die Funktion der Sperre sind dieselben wie vor 100 Jahren. Nach der Errichtung der Urfttalsperre wurden im Unterlauf noch weitere Sperren, wie die Rurtalsperre und im Oberlauf die Oleftalsperre errichtet. Heutzutage werden die drei Sperren im Verbund betrieben und sichern so die Verfügbarkeit von etwa 265 Millionen Kubikmeter Stauraum. Die Stauseen und ihre Umgebung sind von Wassersportlern und Erholungssuchenden geschätzte Naherholungsgebiete.
Tragwerksgeometrie
Bei der Staumauer handelt es sich um ein Körpertragwerk. Aufgrund ihrer gekrümmten Formgebung könnte die Urfttalsperre auch als Bogengewichtsmauer, ein Flächentragwerk interpretiert werden – dies ist allerdings ein Trugschluss.
Lastabtrag
Durch das Eigengewicht der Staumauer werden die einwirkenden Lasten abgetragen. Mit zunehmender Stauhöhe des Sees nehmen die horizontalen Wasserdruckkräfte zu und versuchen „quasi“ die Staumauer wegzuschieben. Die Verschiebung in horizontaler Richtung wird durch die Reibung am Fußpunkt der Mauer unterbunden. Die Größe der Reibungskraft wird durch das Gewicht der Mauer maßgeblich bestimmt. Der auf die Mauer wirkende Wasserdruck erzeugt weiter ein Drehmoment um den Fußpunkt der Mauer. Das Kippen der Mauer wird jedoch durch das in die entgegengesetzte Richtung wirkende Moment aus Eigengewicht verhindert.
weitere Quellen:
Walter Wittke: Rock Mechanics Based on an Anisotropic Jointed Rock Model (AJRM). Ernst & Sohn, ISBN/EAN: 978343360431, 2014
Rolf Meurer: Wasserbau und Wasserwirtschaft in Deutschland - Urfttalsperre, seinerzeit größte Sperre auf dem europäischen Kontinent — neue Dimensionen des Talsperrenbaus mit Otto Intze. ISBN: 978-3-322-80214-9, S. 109-119
Bearbeitet durch: Architektouren Team