In einem der großen Hörsäle des Bauingenieurgebäudes hängt das Bild „Brücke Moresnet im Bau“. Es wurde 1943 von Fritz Jakobsen gemalt. Das Bild ist ein Geschenk der Firma MAN-Gustavsburg, einem ehemals im Stahlbrückenbau tätigen Unternehmen, an das Institut für Stahlbau der RWTH Aachen.
Die Brücke, die auch als Göhltalviadukt bezeichnet wird, ist in Belgien und bildet einen Teil der Eisenbahnstrecke Aachen-Tongeren. Vom Aachener Westbahnhof abfahrende Güterzüge mit Ziel Antwerpen erreichen die Brücke nach ungefähr 10 km Fahrt.
Das tiefeingeschnittene Tal des Flusses Geul wird von der Konstruktion dominiert. Durch die geraden Stützen und die Träger wirkt die Brücke nüchtern. Ihre Größe prägt den gesamten Landschaftraum.
Die Brücke wurde während des 1. Weltkrieges im Jahr 1916 durch die deutsche Besatzung fertiggestellt. Der Grund für den Bau ist unklar. Entweder sollte die Brücke als strategische Nachschublinie für die Kriegsfront dienen oder es wurde die Gunst der Stunde für die Errichtung der von Deutschland schon lange gewünschten Verbindung zwischen dem Antwerpener Seehafen und dem Ruhrgebiet genutzt. Die Vorteile dieser auch als Montzenroute bezeichneten Strecke sind die Vermeidung der Querung von niederländischem Staatsgebiet und eine kürzere sowie steigungsärmere Route als die Wesertalstrecke via Lüttich.
Die Brücke ist zweigleisig und elektrifiziert. Sie dient ausschließlich dem Güterverkehr.
Ende der 90er Jahre war die Brücke in einem sehr schlechten Zustand, weshalb die Geschwindigkeit der Züge auf der Brücke auf maximal 20 km/h beschränkt wurde. Von 2002 bis 2004 wurde die Brücke deshalb saniert. Die gemauerten Stützen wurden mit einem Betonmantel verstärkt und die alten genieteten Fachwerkträger im laufenden Betrieb gegen geschweißte Träger Stück für Stück ausgetauscht. Nach der Fertigstellung der Sanierung darf die Brücke wieder mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h befahren werden.
Tragwerksgeometrie
Die Brücke ist 1137 m lang und 53 m hoch. 21 massive Pfeiler mit einem Abstand von 48 m streben aus dem Talgrund in die Höhe. Auf diesen ruhen insgesamt 22 Einfeldträger. Diese sind geschweißte Stahl-Fachwerkkästen mit Abmessungen von 6 mal 6 Metern. Die Stahlträger sind mit der darauf liegenden 30 cm dicken Betonfahrbahnplatte verbunden, sodass die Träger als Verbundkonstruktion wirken. Hierdurch kann die Betonfahrbahnplatte als Druckgurt für die Träger mitangesetzt werden. Jeder Träger wiegt 700 t.
Lastabtrag
Das Eigengewicht und die Verkehrslast werden über die einfeldrigen Fachwerkträger zu den Stützen geleitet. Die Fachwerkträger bestehen aus einzelnen, nur Normalkräfte übertragenden Stäben. Grundsätzlich können Fachwerkträger in unterschiedlichen Arten ausgeführt werden. Das Göhltalviadukt besteht aus Fachwerkbalken mit parallelen Gurten, die als Strebenfachwerk mit Pfosten ausgeführt wurden. An den Stützen werden die Vertikallasten über Druck in die Fundamente abgeleitet.
Die horizontalen Kräfte in Fahrbahnlängsrichtung, welche durch das Beschleunigen oder Bremsen der Züge entstehen, werden durch die 5 Hauptpfeiler aufgenommen, die massiver als die übrigen Pfeiler ausgeführt sind. Windlasten, die quer zur Längsrichtung auf die Brücke einwirken, werden direkt über die Stützen abgeleitet.
weitere Quellen:
Kunert, K., Eichenberg, K. und Sedlacek, G., Zeugen der Technikgeschchte in den Hörsälen des Bauingenieurgebäudes.
Hechler, O. und Schaur, Chr., Demolition and reconstruction of bridges, in Proceedings of the first workshop of Cost Action 25 “Sustainability of Constructions-Integrated Approach to Life-time Structural Engineering”, Lisbon, 2007.
Schweers, H., Wall, H., Eisenbahnen rund um Aachen – 150 Jahre Internationale Strecke Köln – Aachen - Antwerpen, Aachen, 1993.
Bearbeitet durch: Architektouren Team